Ulrich Domröse aus: DIE FOTOGRAFIERTE FERNE. FOTOGRAFEN AUF REISEN (1880 bis 2015) Herausgeber: Berlinische Galerie München, London, New York Prestel Verlag 2017 Karl von Westerholt reiste fünf Jahre um die ganze Welt. War er deshalb ein Suchender, ein von Neugier Getriebener, der immer wieder loszog, weil er nicht anders konnte? Weit gefehlt, denn eigentlich empfand er das Reisen eher als Belästigung. Nein, was ihn trieb, war ein auf drei Teile angelegtes künstlerisches Konzept, das zum Abschluss gebracht werden sollte und dem noch der aufwendigste dritte Teil fehlte. Schon bei den ersten beiden Teilen von Die Welt in Auszügen hatte Westerholt sich dafür entschieden, bestimmte Phänomene der Welt zu untersuchen und sie so darzustellen, dass hinter ihrem äußeren Erscheinungsbild die Ideen, Vorstellungen und Träume der Menschen spürbar sind. Der erste Teil beschäftigte sich mit dem urbanen Lebensraum, der zweite mit alltäglichen Gebrauchsgegenständen, und nun - im dritten Teil - ging es also um nichts weniger als um die Darstellung der Welt als Ganzes. Aber was wäre dafür zu fotografieren? Westerholt entschied sich für Objekte und Orte, die im Laufe des modernen Massentourismus als Sehenswürdigkeiten angesehen wurden und sich damit einem allgemeinen kollektiven Gedächtnis eingeprägt haben. Dazu gehörten besondere Naturschönheiten, Stätten mit einer wichtigen kulturellen Ausstrahlungskraft und Menschen und Tiere, die eine Kultur repräsentieren. Noch bevor er auch nur einen Schritt aus der Wohnung tat, war das Konzept so weit ausgefeilt, dass er die Bilder bereits vor dem inneren Auge hatte. Auch für deren spätere Präsentationsform hatte der Fotograf sich zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden. Es sollten kleine Bilder im Format von 6 x 9 Zentimeter mit gezacktem, schwarzem Rand und brauner Tönung sein, ähnlich wie die Knipserfotografie vom beginnenden 20. Jahrhundert. Die Idee entstand beim Betrachten von alten Familienalben, in denen auch die Bilder von nahen und fernen Reisen zum untrennbaren Bestandteil familiärer Mythen geworden waren. In der Ausstellungsvariante sollten sie in einem aufwendigen, 50 x 50 Zentimeter großen Kastenrahmen montiert werden. Diese ästhetische Entscheidung war dafür verantwortlich, dass eine merkwürdige Distanz zwischen dem unmittelbaren Gegenwartsbezug der Aufnahmen und ihrer Inszenierung entsteht. Das hat zur Folge, dass uns die Bilder wie historische Aufnahmen erscheinen und wir die Cheops-Pyramide und die schrille Welt von Las Vegas als vollkommen gleichwertige Phänomene ansehen. Die Reisen des Käpt’n Brass, wie der Untertitel des dritten Teils von Die Welt in Auszügen lautet, ist neben der Problematisierung von Wahrnehmungsfragen, die die Fotografie als abbildendes Medium betrifft, auch eine Persiflage auf die weltreisenden Touristen, die sich mit ihren Fotografien wie Sammler durch die Welt bewegen und am Ende meinen, das Leben in der Fremde zu verstehen. Andererseits ist es ein Hohelied auf die Größe, die Schönheit und die Unerschöpflichkeit der Erde - und zwar nicht aus dem Blickwinkel einer sensationslüsternen Werbeindustrie, sondern aus der Perspektive ihrer ganz alltäglichen Großartigkeit. |
DIE WELT IN AUSZÜGEN, TEIL III Die Reisen des Käpt'n Brass |
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