KARL V. WESTERHOLT    Fotografie, Texte - künstlerische Arbeit Einleitung   <   Home




graue Linie

Volkmar und ich
EINLEITUNG

Guten Tag! Buenos Días!


Diese Website möchte ein Bild meiner künstlerischen Arbeit vermitteln. Ein Bild meiner bildnerischen, meiner fotografischen Arbeit, sofern ich Bilder als Vehikel meiner künstlerischen Absichten verwendet habe, was auf alle meine großen seriellen Arbeiten zutrifft außer auf Die Welt in Auszügen, Teil IV, wo es Worte sind, die jedoch – Sie werden sehen! – keine andere Funktion haben, als Erinnerungsbilder in den hintersten Winkeln Ihres Gedächtnisses zum klingen zu bringen, wenn nicht sogar das Unbewusste höchstpersönlich!

Diese Website geht im Wesentlichen auf einen Katalog zurück, den ich unter beträchtlichen Strapazen im Jahre 1999 zusammengestellt und auch hergestellt habe, um meiner Arbeit zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen. Das hat aber nicht geklappt. Nicht, weil der Katalog nicht ansprechend und informativ gewesen wäre, das Gegenteil war der Fall, sondern weil ich es versäumte, diesem Zeugnis meiner künstlerischen Arbeit mit ein paar diskreten aber unmissverständlichen Drohgebärden unter meinen Mitmenschen die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen. Man lernt eben nie aus.

Ich habe versucht, ausführlich zu sein. Bei der Produktion des Katalogs konnte ich es nicht immer sein, hier im Internet kann ich es. Struktur und der größte Teil des Materials sind dem Katalog entnommen. Und selbstverständlich konnte ich es mir nicht versagen, meine Texte aufzuzeichnen und als mp3-Tondokument zum Download anzubieten.

Sie finden unter das Werk meine großen seriellen Arbeiten jeweils in einem Kapitel untergebracht, und unter das Beiwerk finden Sie Informationsmaterial das mich oder meine Arbeit im Allgemeinen betrifft. Informationen, die nur eine einzelne Arbeit betreffen, sind in dem Kapitel zu der entsprechenden Arbeit zu finden.

Auf dieser Website werden acht umfangreiche serielle Arbeiten vorgestellt. Das ist fast schon mein gesamtes Lebenswerk, entstanden zwischen 1989 und 2021 – wenn man einmal von den sporadischen Glückstreffern absieht, die mir vor jener Zeit gelungen sein mögen. Es beginnt mit meiner jüngsten Arbeit Chemogramme und endet mit meiner ersten thematischen Arbeit Der gelbe Fleck, noch zu Studienzeiten unter der Obhut meines Professors Jürgen Klauke entstanden. Jeder Arbeit sind ein paar einführende Worte beigegeben, mal mehr, mal weniger, mal persönliche Betrachtungen, mal beinharte Theorie. Es gibt ferner einen Bildteil, Ausstellungsfotos, Besprechungen und detaillierte technische Angaben.

Obgleich meine Aufmerksamkeit vor allem Bildern gilt, konnte ich es nie lassen, meinen Bildern Sprache beizugeben, Bilder mit eigenen Texten in geschlossenen Arbeiten zusammenzufassen. Texte, welche die Bilder nicht erklären oder ergänzen, sondern neben ihnen eine eigenständige Existenz führen, mit ihnen im Verbund jedoch ein neues Ganzes bilden, das mit Gottes Hilfe mehr ist, als die Summe seiner Bestandteile. Und ohne Gottes Hilfe zumindest etwas anderes. So gibt es denn von den meisten meiner Arbeiten unterschiedliche Fassungen, die sich besonders hinsichtlich der Verwendung von Sprache unterscheiden. Es sind vornehmlich zwei: Eine Buchversion – ein Künstlerbuch – das auf den sprachlichen Aspekt meiner Arbeit besondere Rücksicht nimmt, und eine Ausstellungsversion, die eher oder sogar ausschließlich auf die Bilder konzentriert ist. Die Bild/Text-Strecken, die Sie vorfinden werden, sind aus naheliegenden Gründen den Buchversionen meiner Arbeiten entnommen. Mehr oder weniger unverändert. Genaue Hinweise zur Beschaffenheit der unterschiedlichen Fassungen meiner Arbeiten entnehmen Sie bitte den technischen Angaben, die in jedem Kapitel Ihrer Kenntnisnahme harren.

Ich frage mich, ob es etwas wirklich Allgemeines gibt, das ich dieser Site in der Einleitung mit auf den Weg geben könnte. Vor allem zu meiner Arbeit, vielleicht noch zu meiner Person, zu Kunst.
Etwas wirklich Allgemeines, das auf alle hier vorgestellten Arbeiten zutrifft – das ist schwierig. Der Zeitraum, den sie beschreiben, ist groß, und er reicht zu allem Übel bis weit in meine Studienzeit zurück, da ich noch mehr damit beschäftigt war, mich für die Möglichkeiten eines Mediums zu begeistern, denn sie meinen Vorstellungen entsprechend halbwegs zielgerichtet einzusetzen. So sind die Unterschiede, die zwischen meiner ersten und meiner letzten Arbeit liegen zu groß, als dass es sinnvoll erschiene, unbedingt den roten Faden ausmachen zu wollen, der sie verbindet. Natürlich gibt es diesen roten Faden, das verbindende Element zwischen allen meinen Arbeiten. Es liegt in meiner Person, in dem mehr oder weniger gleichen Lebensgefühl, das sich in allen meinen Arbeiten äußert. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das auch sichtbar wird und nachvollziehbar ist. Ich denke, das Lebensgefühl eines Menschen verändert sich im Verlaufe der Jahre nur unerheblich. Was sich ändert, ist die Sprache, in der dieses Lebensgefühl sich äußert. Die Bildsprache in meinem Fall. Hier finden die Veränderungen und Entwicklungen statt. Möglicherweise könnte man behaupten, ein Künstler täte nichts anderes, als sein Leben lang an einer Sprache zu feilen, um ein und dasselbe Gefühl immer deutlicher, schärfer, endgültiger zum Ausdruck bringen zu können. So kommt es mir vor.

Der langen Rede kurzer Sinn: Ich kann mich mit allen hier vorgestellten Arbeiten identifizieren. So vielleicht, wie Eltern sich mit allen ihren Kindern identifizieren können, so unterschiedlich und eigenständig (und eigenartig!) sie auch sein mögen. Aber ich weiß nicht, ob man auch alle meine Arbeiten mit mir identifizieren kann, mit ein und demselben Autor. Und da ich es für bedeutungslos halte – da es letztendlich nur um die Qualitäten jeder einzelnen Arbeit geht – möchte ich darauf verzichten, sie auf Teufel komm raus alle unter ein Dach bringen zu wollen.

Nur so viel Allgemeines:

Ich fotografiere. Es hätte vielleicht auch anders kommen können. Das Entscheidende scheint mir nicht das Medium zu sein, sondern der Wunsch, sich eine Sprache zuzulegen. Ich hege keine besondere Zuneigung für die Fotografie. Es ist ein Medium, das stark von seiner Technik dominiert wird. Das stört zuweilen. Es gibt selten einmal einen Moment, wo man die Ärmel hochkrempeln und bis zu den Ellbogen in der formbaren Masse herumpantschen könnte. Das fehlt mir manchmal. Alles vollzieht sich mittelbar, als chemischer Prozeß, oft unsichtbar, im Dunkeln, und stets sind größte Vorsicht und weiße Baumwollhandschuhe geboten.

Was Fotografie bietet, worin sie wirklich groß ist für mein Empfinden, das ist die Möglichkeit, ganz direkt mit der Wirklichkeit umzugehen, ohne zeitliche und räumliche Umwege mit der Umwelt in einen Kommunikationsprozess zu treten, auf eine Erscheinung unmittelbar einzugehen, noch bevor man die Gelegenheit hatte, sich in Gedanken oder Gefühlen mit ihr auseinander zu setzen. Das ist das wirklich luxuriöse an diesem Medium, und es kommt meiner Natur sehr entgegen.

Ich arbeite seriell. Es sind zwei Dinge, die mir an seriellen Arbeiten besonders zusagen: Die Möglichkeit, ein Thema anthologisch zu behandeln, und die Möglichkeit, in einer Abfolge von Bildern eine Geschichte zu erzählen, für eine Abfolge von Bildern eine Dramaturgie zu entwerfen, die etwas vermittelt, das in den einzelnen Bildern nicht enthalten ist. So ist der Entwurf einer Abfolge in meinen Augen ein vollwertiges Ausdrucksmittel. Ich könnte zwar nie sagen, welche Geschichte ich nun genau in einer Abfolge von Bildern zu erzählen versuche, aber ich kann immer genau sagen, an welcher Stelle der Mord passiert, ob und wann das Vergehen aufgedeckt wird und ob der Held zum Schluss in den Armen seiner Geliebten liegt oder auf einem dürren Klepper in die Wüste hinaus reitet. Es sind auch tatsächlich oft solche Dinge, die mir durch den Kopf gehen, wenn ich beispielsweise zu bestimmen versuche, ob in einer Bildfolge alltäglicher Gebrauchsgegenstände der Hammer besser rechts oder links vom Kaffeefilter aufgehoben ist, oder ob er eher in das erste oder das letzte Drittel der Abfolge gehört, ob er eine gute Einleitung wäre oder ein schöner Schlußakkord.

Ich arbeite mit Texten, mit der Verbindung von Texten und Bildern in geschlossenen seriellen Arbeiten. Auch das zieht sich durch meine gesamte Arbeit. Ich habe immer schon geschrieben, aber nie viel und nie vorrangig. Ich fürchte auch, dass meine Texte in ihrer Qualität meinen Bildern nicht ebenbürtig sind. Trotzdem hat sich mir Sprache als Ausdrucksmittel stets aufgedrängt. Man kann mit Sprache Dinge ausdrücken, die man mit Bildern nicht ausdrücken kann – andere Dinge ausdrücken oder die selben Dinge anders ausdrücken. Und Sprache und Bildern im Verbund eröffnen sich wieder andere Möglichkeiten. So habe ich auf dieses zusätzliche Ausdrucksmittel nie ganz verzichten wollen, wo es sich sowieso schon nicht so recht abwimmeln ließ.

Ich verwende das Buch, das sogenannte Künstlerbuch, als Präsentationsform – als zumindest eine von mehreren Präsentationsformen meiner künstlerischen Arbeiten. Das ist naheliegend, wenn man meine Anhänglichkeit an Sprache bedenkt, meinen Wunsch, Inhalte in der Verbindung von Bildern und Texten auszudrücken. Das Buch als mögliche Fassung einer Arbeit, die Bilder und Texte enthält, hat sich mir von Anfang an aufgedrängt. Was ich an dieser Darbietungsform am meisten schätze, ist die Möglichkeit, den Betrachter dazu verdonnern zu können, meiner Regie zu folgen – Bilder und Texte in genau der Reihenfolge wahrzunehmen, in der ich sie wahrgenommen haben möchte. Eine Gelegenheit, die Ausstellungssituationen selten bieten.

Eine Bemerkung noch zu den vier Folgen meiner Welt in Auszügen. Diese letzten meiner Arbeiten inhaltlich auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, bereitet mir weniger Schwierigkeiten. Jede Folge dieser Arbeit will eine Art fiktiver Anthologie zu einer bestimmten Gruppe von Erscheinungen unserer Welt sein – ein Katalog, der so tut, als wolle er eine bestimmte Gruppe von Erscheinungen vollständig und erschöpfend darstellen. Einfach so – und dabei pfeift womöglich und scheinheilig in die Luft guckt. Die Betonung liegt auf fiktiv. Ich gehe nicht tatsächlich anthologisch vor. Was mich interessiert, sind fiktive Anthologien. Wozu ich einlade, ist nicht die Wirklichkeit, sondern eine Vorstellung von der Wirklichkeit. Ich versuche, ein wenig Ordnung zu schaffen in der Welt der sichtbaren Erscheinungen – auf einer fiktiven Ebene. Vielleicht hilft es ja.